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PNN 21.07.12 - Stahnsdorf klagt gegen Zweckverband

Stahnsdorf klagt gegen Zweckverband Altanschließergebühren belasten Gemeindevermögen, Geld fehlt an anderer Stelle

von Ariane Lemme

Stahnsdorf - Eigentlich steckt Bernd Albers in der Zwickmühle: Als Bürgermeister von Stahnsdorf muss er die Interessen der Anwohner und der Gemeinde vertreten. Als Mitglied des Abwasserzweckverbands „Der Teltow“ (WAZV) ist er andererseits gesetzlich verpflichtet, das Gesetz zur Erhebung von Altanschließergebühren umzusetzen.

Doch in Albers Augen wiegt seine Pflicht als Bürgermeister schwerer – jetzt klagt er im Namen der Gemeinde vor dem Verwaltungsgericht Potsdam gegen die Beitragserhebung. Konkret geht es in dem Verfahren um acht kommunale Grundstücke – für deren Anschluss an das Abwassernetz müsste die Gemeinde insgesamt rund 200 000 Euro nachzahlen. „Das Geld fehlt an anderer Stelle, es sollte besser für den Bau eines Bürgersaals oder einer neuen Feuerwache verwendet werden“, so Albers. Abgesehen davon, dass er das Gemeindevermögen schützen wolle, erscheine ihm auch das Verfahren an sich ungerecht. Nach Ansicht des Stahnsdorfer Klägeranwalts Ronald Radtke ist die Festsetzungsfrist für die Zweckverbände nach 20 Jahren überdies verjährt.

Wie berichtet kommen auf Grundstückseigentümer und Wohnungsunternehmen teilweise deftige Nachzahlungen zu: Seit 2009 müssen die Wasserzweckverbände nach einem Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Kosten für neue Anlagen auch auf Altanschließer umlegen – auch wenn die bereits vor 1990 für ihre Anschlüsse bezahlt haben. Sie sollen damit an Investitionen beteiligt werden, die seit der Wende vorgenommen wurden. Die Betroffenen können Widerspruch dagegen einlegen.

Doch für Privatgrundbesitzer kann es riskant sein, tatsächlich zu klagen: Unterliegen sie, zahlen sie am Ende noch die Prozesskosten. Die jetzt von Stahnsdorf eingereichte Klage soll deshalb als Leitverfahren fungieren. Sollte die Gemeinde Recht bekommen, würden demnach auch die knapp 300 Stahnsdorfer Privathaushalte, die gegen ihre Bescheide Widerspruch eingelegt haben, die Beiträge zurückbekommen. Doch eine Entscheidung des Potsdamer Verwaltungsgerichts erwartet Radtke frühestens in zwei bis drei Jahren. In den Nachbarkommunen Teltow, Kleinmachnow und Nuthetal werden zwar Musterverfahren einzelner Betroffener geführt, die Verwaltungen selbst klagen dort allerdings nicht.

In der Gemeinde Nuthetal bemüht man sich stattdessen derzeit um eine differenzierte Berechnung der Gebühren. „Wir ermitteln derzeit, von welchen Investitionen des Verbands auch die Altanschließer profitiert haben – nur die sollen dann als Grundlage für den Beitragsbescheid verwendet werden“, sagte Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) auf PNN-Anfrage am Freitag.

Radtke hält das gesamte Verfahren indes für möglicherweise verfassungswidrig. „Die Altanschließer konnten jahrelang auf die alte Rechtslage vertrauen, sie hatten für ihre Abwasseranschlüsse bereits zu DDR-Zeiten bezahlt oder diese selbst gelegt.“ Der Vertrauensschutz sei somit verletzt, zudem hätten in den vergangenen 20 Jahren auch die Altanschließer die laufenden Gebühren bezahlt. Aufgrund der unterschiedlichen Gesellschaftssysteme vor und nach 1990 sei eine Gleichbehandlung mit den Neuanschließern demnach nicht möglich. Erst durch die 2001 geänderten Vorschriften des Kommunalabgabegesetzes seien die bereits verjährten Forderungen quasi wiederbelebt und durch das OVG-Urteil bestätigt worden. Sollte die Klage vor dem Verwaltungsgericht scheitern, will Radtke deshalb bis vor das Landesverfassungsgericht ziehen.

 

Erschienen am 21.07.2012 auf Seite 18 der PNN